Hedwig Meyer-Wilmes

 

Mein Lieblingsbild

Madonna mit Jesuskind und Weintraube

Diese Skulptur steht in einem Glaskasten im Depot und ist der Öffentlichkeit somit nicht zugänglich. Vier Dinge haben mich immer fasziniert: der Glaskasten, der weit schwingende Schutzmantel der Madonna sowie ein Jesuskind, was im Säuglingsalter Weintrauben in der linken Hand hält. Eher irritiert als fasziniert hat mich die seltsame Scheibe auf dem Kopf der Madonna.

Der Glaskasten sowie sein Standort im Depot sagt mir etwas über die Situation der Religion in meiner Lebenszeit. Religionen schotten sich ab, sind Privatsache in unserer Gesellschaft, die ihnen staatsrechtlich verordnet ist.

Der weit schwingende Schutzmantel bringt Bewegung in die erstarrten Vorstellungen der Madonna Maria, die religionsgeschichtlich ja nicht nur für weibliche Unterordnung, sondern auch für prophetisches Tun herhalten musste und konnte. Dieser Schwung, den Matare ja nicht nur in seinen Holzkühen und Pferden zeigt –und den er nachträglich (1960/61) an die beschädigte Skulptur aus Ulmenholz einarbeitete- steht für mich nicht nur für ein großes bildhauerisches Können, sondern auch für die Kraft, die von religiösen Geschichten ausgehen kann.

Die Weintrauben in der linken Hand des Kindes stehen religionsintern für den späteren Opfertod Jesu und sind von dem Künstler, der diese Skulptur 1945 fertig stellte und sich mit Aufträgen sakraler Kunst sein finanzielles Überleben sicherte, auch sicher so gemeint. Aber transportiert man die christliche Gleichsetzung von Wein und Blut in den gesellschaftlichen Kontext, so steht der Wein für Lebensgenuss und Feste und nicht für Tod und Opfer. Auch wenn der Künstler in seinen Tagebuchaufzeichnungen vermerkt, dass „diese Arbeit , ihren Ursprung nicht in meinem inneren Herzen hat“ (9.11.1944) öffnet sie jedes Mal mein Herz und meinen theologischen Verstand.

Die seltsame Scheibe auf dem Kopf der Maria, die ursprünglich mal eine Krone war, erinnert mich an eine Frisbeescheibe. Diese steht heute für Bewegung und Spaß im Freien! Ein Vergnügen, welches in dieser bewegungsarmen Zeit so angesagt ist.

Im Depot verbirgt sich dieses Modell: ich hoffe, dass wir es in absehbarer Zeit auch öffentlich betrachten können.

Hedwig Meyer-Wilmes

Zu dieser Madonna im Museum Kurhaus Kleve

 

Ewald Mataré

Madonna mit Jesuskind und Weintraube, um 1943-1961

Inventar Nr.: 2006-VI-II

Museum Kurhaus Kleve – Dauerleihgabe des Freundeskreises Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus Kleve e.V., Kleve, Deutschland; Schenkung von Sonja Mataré, Meerbusch-Büderich, und einer Privatsammlerin, Köln

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